Freitag, 8. August 2008

Spiele der 29. Olympiade in Peking

Kommentar - Heute beginnen in Peking die olympischen Sommerspiele. Dass China die Spiele stemmen kann, steht außer Frage. Dass es ein Erlebnis für alle beteiligten Sportler sein wird, auch.

Nicht so überzeugt bin ich von der Berichterstattung. Die Chinesen werden die Spiele von ihrer besten Seite zeigen, das steht außer Frage, das sei ihnen gegönnt. Wie aber werden die sogenannten "westlichen Medien" berichten? Werden nun bei jeder Sportreportage die Themen "Menschenrechte" und "Tibet" aufs Tapet gebracht? Es steht zu befürchten, dass (wie auch im Vorfeld der Spiele) der Westen die Berichterstattung über die olympischen Spiele zu antichinesischer Propaganda missbrauchen und auf die Themen "Tibet", "Menschrechte", "Todesstrafen" und natürlich "systematisches Doping" reduzieren wird. Die ARD hat mit einer "Enthüllungsstory" schon mal den Anfang gemacht.

Das gern kolportierte Thema "Todesstrafen in China" verpufft angesichts der wieder eingeführten bzw. wieder angewandten Todesstrafen in den USA.

Die sogenannte "Besetzung" Tibets steht der Besetzung Grenadas durch die USA in den Achtzigern, die Besetzung Afghanistans und des Irak heutzutage gegenüber. Der Dalai Lama ist kein Demokrat, sondern ein buddhistischer Kirchenfürst mit weltlichem Gebietsanspruch. Sein Tibet ist ein mittelalterlich feudalistischer Staat ohne gewähltes Parlament, also mitnichten eine Demokratie. Eine "Wiederherstellung der Demokratie in Tibet" ist also eine Worthülse von Gutmenschen, die aus was weiß ich für Gründen auf sich aufmerksam machen müssen.

Schauen wir uns die Rolle Tibets in einem ähnlich gelagerten Konflikt in der Region an, es geht um das Königreich Sikkim:

Aufgrund seiner exponierten Lage, die einen guten Zugang von Indien nach Tibet ermöglichte, erlangte Sikkim frühzeitig strategische Bedeutung. 1641 wurde Sikkim Königreich. 1817 erlangte die Britische Ostindien-Kompanie auf der Grundlage der militärischen Überlegenheit der britischen Armee im Rahmen eines indirekten Protektorats die Oberhoheit über Sikkim.

1835 trat der Chogyal (König) von Sikkim einen Teil der Region Darjiling an Großbritannien ab; 1849 und 1861 erlitt er weitere Gebietseinbußen zu Gunsten der Briten. Die Regierung Großbritannien nahm hierfür eine diplomatisch unkluge Gefangennahme einiger Menschen mit britischer Staatsangehörigkeit zum Anlass. Weiterhin musste den Briten volle Handelsfreiheit zugestanden werden. Dennoch gingen in der Folgezeit Einfuhr und Ausfuhr (meist Holz) stark zurück. 1861 wurde Sikkim ein unmittelbares britisches Protektorat.

Anfang 1888 fielen Tibeter in das Land ein und besetzten das Fort Lingtu. Die Besatzer wurden jedoch durch ein vom Vizekönig von Indien sofort ausgesandtes Expeditionskorps wieder vertrieben. Der Raja, ein Pensionär der englischen Regierung, der aber den Tibetern nahe stand, wurde danach von den Briten noch weiter beschränkt, während die chinesische Regierung die Handlungsweise ihrer Beamten desavouierte. Zu jener Zeit hatte Sikkim 50.000 Einwohner, die überwiegend dem Volksstamm der Lepcha angehörten. 1918 erhielt Sikkim die volle Selbstverwaltung.

Am 5. Dezember 1950 wurde Sikkim von Indien gezwungen, erneut einen Protektoratsvertrag zu unterzeichnen. Nur damit konnte Sikkim zu der Zeit der völligen Annexion durch Indien entkommen. 1973 kam es zu einem Umsturzversuch durch die nepalesische Bevölkerungsgruppe in Sikkim. Daraufhin marschierten indische Truppen ein. In Sikkim wurde die konstitutionelle Monarchie eingeführt. 1974 erhielt Sikkim den Status eines assoziierten Staates der indischen Union.

Nach einer von Indien stark beeinflussten, jedoch formell von der Regierung Sikkims unter der Führung des Chief Ministers Kazi Lhendup Dorji Khangsarpa am 14. April 1975 veranstalteten Volksbefragung, bei der sich von ca. 97.000 Wahlberechtigten 60.000 für einen solchen Schritt und 1.500 dagegen aussprachen, erklärte das ehemalige Königreich Sikkim am 16. Mai 1975 seinen Beitritt als 22. Bundesstaat der Indischen Union. Der Streit Indiens mit dem benachbarten China um die Anerkennung dieses Schritts wurde erst im April 2005 vertraglich beigelegt.

Quelle: Wikipedia.org

Wie wir gelernt haben, hat also Indien in Sikkim das gleiche Prozedere veranstaltet wie seinerzeit China in Tibet. Auf beiden Seiten wurde das entsprechende Territorium mit Waffengewalt erobert. Aber China (damals kommunistisch, heute turbokapitalistisch) ist der Bösewicht und entspricht dem Feindbild. Indien hingegen ist Teil des Commonwealth, kann also nicht der Bösewicht sein.

Wir erinnern uns: Indien hat Atomwaffen, aber kaum Erdöl.

Ich möchte nicht die eine Annexion gegen die andere aufrechnen, beide sind wahrscheinlich widerrechtlich.

Aber ich würde gerne die Sikkim-Initiativen demonstrieren sehen, wenn ein indischer Staatsgast Berlin besucht. Und ich möchte, dass unsere Bundeskanzlerin bei ihrem nächsten Staatsbesuch in den USA die Themen "Todesstrafe" und "Menschenrechte in Guantanamo" auf die Tagesordnung setzt.

Andreas Mascher
Das Sprachrohr

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