Das Maß ist voll...
Fast neun Jahre lang war ich freiberuflicher Journalist. Ich schrieb für das "Sprachrohr", die "Spottdrossel" und noch für einige andere Onlinemedien. Es war eine erfüllende Zeit, mir gefiel es, selbstrecherchierte Mitteilungen unter die Leute zu bringen, die Leser auf Nachrichten anderer Quellen hinzuweisen, Tonnen von Bildmaterial zu veröffentlichen und in Kommentaren meine Meinung zu aktuellen oder historischen Themen kundzutun. Ich war stolz darauf, dazuzugehören.
Das alles wird es nicht mehr geben. Das "Sprachrohr", das letzte von mir betreute Magazin stellt seine Arbeit ein.
Was ist der Grund dafür?
Es gibt derer viele.
In letzter Zeit ist der Ton in der Presselandschaft rauer geworden. Ich meine nicht die Themen selbst, sondern der Umgang mit ihnen. Da werden Behauptungen aufgestellt, die ganz dicht an Verunglimpfung gehen. Einem Vorstandsvorsitzenden einer großen deutschen Firma wird "Salamitaktik" in der Informationspolitik vorgeworfen, obwohl jeder Informierte (dazu zählt jeder Journalist, der Pressemitteilungen zu lesen versteht) sehen kann, dass alle Informationen (mit dem derzeitigen Wissensstand) auf einen Schlag herausgegeben wurden. Die versammelte Presse hält sie jedoch zurück. Nur damit jeden Tag ein paar von diesen Informationen "an die Öffentlichkeit durchsickern" können. Die Folge: Besagter Vorstandsvorsitzender wird ob dieser "Salamitaktik" durch gewisse Politiker in Grund und Boden kritisiert. Die üblichen Rücktrittsforderungen inklusive. Die Politik hört nur noch auf die Medien, die am lautesten schreien. Das ist nicht mein Ding, ich schäme mich für dieses Vorgehen der Presse und entschuldige mich stellvertretend dafür.
Auch die Interviewtechnik hat an Schärfe zugenommen. Da wird eine Behauptung aufgestellt durch den Interviewer und gleich danach eine Frage gestellt, die der Interviewte erst einmal beantworten muss. Die Behauptung bleibt unwidersprochen im Raume stehen, der Hörer am Radiogerät nimmt sie für bare Münze, da der Interviewte sie nicht abgestritten oder berichtigt hatte. So passiert im öffentlich-rechtlichen Rundfunk (RBB), der Interviewer war Thomas Wosch, der Interviewte war Dr. Dieter Wiefelspütz. Die Behauptung von Wosch war, dass im aktuellen "Datenskandal" der Bahn auch die Kontobewegungen von Angestelltenkonten "ausgespäht worden sind". Diese Behauptung wurde dann an den darauffolgenden Tagen von anderen Medien kolportiert und gipfelte dann wohl in einer Strafanzeige einer ungenannten Betriebsrätin gegen den Bahnvorstand. Soweit sind wir schon wieder. Falsche Behauptungen durch die Presse, als Feststellung maskiert, sind das Letzte. Das ist nicht mein Ding, ich schäme mich für dieses Vorgehen der Presse und entschuldige mich stellvertretend dafür.
Vorbei sind die Zeiten, als ein Journalist noch ein Minimum an Sachverstand mitbringen musste. Heute darf jeder Schreiberling alles über alles und jeden schreiben - und er tut dies ausgiebig. Heraus kommen schlampig bis gar nicht recherchierte Berichte, die zur Hälfte aus Gerüchten und zur anderen Hälfte aus Vorurteilen bestehen. Das ist nicht mein Ding, ich schäme mich für dieses Vorgehen der Presse und entschuldige mich stellvertretend dafür.
Ich möchte nicht zu diesen Banditen gehören, die mit vorgehaltenem Mikrofon Geständnisse zu erpressen suchen und - wenn sie sie nicht bekommen - einfach erdichten. Was soll ob solcher Lüge schon passieren? In diesem Lande herrscht Pressefreiheit, und so ist die härteste Strafe eine Rüge vom Presserat. Keine Krähe hackt einer anderen ein Auge aus...
Es gibt Medienerzeugnisse, von denen erwarte ich nichts anderes als Boulevardjournalismus. Es gibt auch in den öffentlich-rechtlichen Medien Sparten, die für derlei Berichterstattung gemacht sind. Wem's gefällt. Aber in die tägliche Nachrichtensendung gehören Fakten, Fakten und Fakten, verdammt noch mal!
Journalisten sind zu einem Berufsstande verkommen, der kein Ethos mehr besitzt. Das ist nicht mein Ding, ich schäme mich und entschuldige mich stellvertretend dafür.
Ich werde meine Ellbogen nicht gebrauchen, aber mein Rückgrat. Ich werde mich dem Satze "Das ist eben so." nicht unterwerfen. Ich möchte nicht mehr zur Journaille gehören, die im Namen der Pressefreiheit Lügen verbreitet. Ich möchte nicht mit diesen - ich nenne sie mal Menschen - verwechselt werden. Das Maß ist voll.
Das "Sprachrohr" ist hiermit eingestellt.
Mittwoch, 18. Februar 2009
Abonnieren
Posts (Atom)